Albert Becker Elektriker
Ich möchte Ihnen etwas über das Elektrohandwerk und über unsere Firma erzählen. Das Elektrohandwerk hat einen extremen Wandel hinter sich und wahrscheinlich auch noch vor sich. In der Entwicklung der Technik ist sehr viel geschehen, obwohl das Elektrohandwerk eigentlich das jüngste Handwerk ist.
Mein Großvater hat 1921 das Geschäft in Schüttorf gegründet. Da wurde in Schüttorf und in den Landgemeinden mit der Elektrifizierung gerade erst begonnen. Also vor mehr als 100 Jahren. Mein Großvater war kein gebürtiger Schüttorfer. Wann er genau nach Schüttorf gekommen ist, weiß ich leider auch nicht. Er war auch nicht von Anfang an Elektromeister, sondern erst Schlosser und Heizer bei der Firma Remy. Aber er musste wohl schon irgendwelche Vorkenntnisse im Elektrobereich gehabt haben. Zu Anfang hatte er neben dem Elektrohandwerk auch noch Wasserinstallationen gemacht. 1926 absolvierte er seine Meisterprüfung.
Sein Geschäft befand sich damals in der Föhnstraße, gegenüber von Moldwurf und Kronemeyer, da wo heute die Kreissparkasse steht. Neben unseren Laden war zur einen Seite hin Heizung Schlikker und zur anderen Seite der Friseursalon Berger.
Zu Beginn seiner Selbständigkeit hatte mein Großvater fast nur Freileitungsbau gemacht. Da wurden für die NIKE (Niedersächsische Kraftwerke) Laternenmasten aufgestellt und Freileitungen gezogen. In Schüttorf und in den Landgemeinden bis nach Hestrup und Ohne. Seine Gesellen oder Helfer schliefen nachts bei dem Bauern, weil es zu weit war, um wieder in die Stadt zu fahren. Sie wurden, und das habe ich auch noch während meiner Lehrjahre erlebt, bei dem Bauern verpflegt. Es gab Frühstück und Mittagessen. Man war richtig eingebunden in die Familie.
Als ich mit 16/17 Jahren anfing, war ich sehr mager. Da haben die Bauern immer gesagt: „Du musst was auf den Rippen haben.“ Bei den Bauern gab es viel Fleisch und gutes Essen. Das war für viele sehr angenehm.
Die Elektrifizierung schritt rasch voran. Das machte sich auch bei meinem Großvater bemerkbar. Mit der Wasserinstallation wurde es immer weniger, mit dem Strom dagegen immer mehr. Mein Großvater hat auch bei den Stadtwerken gearbeitet, die die Versorgung hier in der Stadt übernommen hatten. In den Landgemeinden war die NIKE für die Stromversorgung zuständig.
Damals brauchten Elektrobetriebe einen Konzessionsausweis, den hat mein Großvater von den Stadtwerken bekommen. Dieser Konzessionsausweis trug die Nummer „1“ und den gibt es heute noch. Das ist jetzt mein Ausweis, der trägt jetzt auch noch die Nummer 1 und mein Vater hat seinerzeit auch die Nummer 1 übertragen bekommen. Der Ausweis muss jedes Jahr verlängert werden. Das ist im Elektrohandwerk ein bisschen strenger als in anderen Handwerkssparten, weil der Umgang mit Strom lebensgefährlich sein kann, wenn man die Arbeiten nicht korrekt ausführt.
Mein Großvater hatte zwei Söhne. Der älteste Sohn hieß Johann, und mein Vater Karl war der zweitälteste. In den Handwerksbetrieben war es damals üblich, wie in bei den Landwirten auch, dass der älteste Sohn den Betrieb übernehmen musste. Da wurde man gar nicht gefragt, das war so. Bei mir war es schon etwas anders. So eine Art freiwilliger Zwang, will ich mal sagen. Mein Vater hatte immer gesagt: „Ich zwinge dich nicht, du musst selber wissen, was du tust, aber überlege dir das gut.“ Ich bin praktisch reingewachsen und habe das später auch übernommen und auch bis jetzt nicht bereut.
Johann , der den Betrieb meines Großvaters übernehmen sollte, hatte Klempner gelernt. Aber er ist im Krieg gefallen. Da musste die Nachfolge neu geregelt werden. Der Geschäftsbereich mit der Wasserinstallation wurde aufgegeben und mein Vater hat den Betrieb als reinen Elektrobetrieb weitergeführt. 1943 hat mein Vater die Meisterprüfung bestanden. Ich bin 1963 aus der Schule gekommen und bin dann bei meinem Vater 3 ½ Jahre in die Lehre gegangen.
Wir hatten damals noch kein Auto, aber mein Vater hatte ein Motorrad. Den größte Teil unserer Kunden hatten wir nicht in Schüttorf, sondern in den umliegenden Dörfern Quendorf, Neerlage, Wengsel, aber auch in Samern, Suddendorf oder Ohne. Da fuhren wir Lehrlinge und die Gesellen mit dem Fahrrad hin. Vollgepackt mit Kabelrollen, die Gipseimer rechts und links am Lenker, die Werkzeugtasche hinten auf dem Gepäckträger und meistens noch etwas was in der Hand. Die Straßen waren ja noch nicht so ausgebaut wie heute. Es waren meistens Sandwege. Da waren wir manchmal eine Stunde unterwegs, um überhaupt beim Kunden anzukommen. Heute unvorstellbar und unbezahlbar.
Auch unser Handwerkzeug war mit dem von heute nicht zu vergleichen. Wir hatten noch keine richtigen Bohrmaschinen mit Schlagwerkzeug. Das fing erst später an. Ende der 1960er Jahre bekamen wir Schlagbohrmaschinen oder eine Fräse für die Mauerschlitze. Das waren noch richtige Ungetüme und sehr schlecht zu handhaben. Bei roten Steinen funktionierten die überhaupt nicht, nur bei Mauern, die aus Kalksandsteinen gebaut waren.
In den alten Häusern waren aber die meisten Innenwände aus roten Steinen, und in der Quendorfer bzw. Neerlager Gegend waren Isterberger Steine verbaut, die waren besonders hart. Die platzten nur so weg, und es ging viel kaputt, wenn man Schalter und Steckdosen unter Putz setzen musste. Dann war man gleich im Nebenraum. Die Fugen waren nämlich alle so weich, dass die Steine einfach durchrutschen. Das war dann oft mit Ärger und viel Zusatzarbeit verbunden.
Viel Ärger mit den roten Steinen
Kupfer und Zink haben sich nicht gut vertragen
Auch die Anlagen waren natürlich auch nicht so perfekt wie heute. Es gab viele Störungen. Und meistens passierte es abends, dass etwas nicht funktionierte – die Melkmaschine oder was auch immer. Häufig lag es an den Leitungen, die oft von schlechter Qualität waren. Viele Leitungen waren aus Zink, das wurde nämlich genommen, als im Krieg Kupfer Mangelware war. Als es dann wieder Kupfer gab, wurden Leitungen aus Kupfer verlegt. Wenn aber Zink- und Kupferleitungen in einer Abzweigdose zusammengeklemmt wurden, ging das meist nur für ein Jahr gut. Dann gab es Schmorstellen, weil Kupfer und Zink sich nicht vertragen. Dann musste alles entweder auf Kupfer umgestellt werden, oder es gab Messingklemmen als Trennstrecken. Bei den Leitungen, die unter Putz lagen, waren die einzelnen Adern noch mit Baumwollisolierung (NGA) umsponnen. Heute sind sie mit Kunststoff (NYA) ummantelt.
Die elektrischen Anlagen waren dafür aber meistens sehr einfach. In der Regel gab es in einem Raum nur eine Lampe, einen Schalter und vielleicht eine Steckdose, zum Beispiel zum Bügeln, und das war´s. Später kam bei den Bauern eine Kraftleitung (Drehstrom 380/220V) für die Melkmaschine und Wasserpumpe dazu – mehr gab es meistens nicht.
Auch die Sicherungen waren damals noch nicht so entwickelt. Als ich anfing, sahen die Sicherungskästen so aus: Porzellan, große Armatur, da schraubte man die Sicherung rein und die saßen auf einer Pertinaxplatte. Diese Platte diente auch als Isolator. Die Sicherungselemente hatten auf der Rückseite 2 Gewinde von etwa 5 mm. Dort wurden die Leitungen angeschlossen. Ich kann mich noch daran erinnern, wenn mein Vater in der Werkstatt war und die Pertinaxplatten bohrte, dann roch das im ganzen Haus. Früher hatte man meistens relativ kleine und einfache Sicherungsanlagen. Es gab ja meist nur einen Lichtstromkreis und vielleicht noch einen für die Kraftleitung.
Damals wurden die Stromleitungen auf Putz gelegt. Sie lagen in bleiummantelten Rohren und waren innen mit einer Art Teermasse umhüllt. Man bekam dabei ganz schwarze Finger, wenn man die Rohre durchschneiden und die Leitungen durchziehen musste. Wenn ein bleiummanteltes Rohr in einer Ecke verlegt werden musste, wurde es mit einer speziellen Zange passend gebogen. In Dielen und Ställen kamen wegen der Feuchtigkeit Stahlrohre zum Einsatz. Sie wurden mit einem Biegeholz in die richtige Form gebracht. So ein Werkzeug gibt es natürlich heute nicht mehr.
Ich kann mich an eine lustige Sache erinnern: Unser Geselle und ich als Lehrling haben damals oft bei Schümers Mühle gearbeitet. Unsere Geselle hatte schon ein Moped und ich nur ein Fahrrad. Über einen Seitenweg aus Sand sind zur Schümers Mühle gefahren. Dort bekam man natürlich auch Schnaps angeboten– das war dort Tradition. Ich mochte eigentlich keinen Schnaps, aber das traute ich mir nicht zu sagen. Da habe ich dann auch Schnaps getrunken. Der Schümersche wurde dort lauwarm in kleine Cola-Gläser eigeschenkt. Man saß ja an der Quelle. Ich habe meist nur daran genippt, den Rest hab ich stehen lassen. So kam es dann auch, dass, wenn wir abends nach Hause fuhren, ich mit dem Fahrrad früher zu Hause war als unser Geselle mit dem Moped. Er hatte sich ein bisschen mehr Schnaps zugemutet, als er eigentlich vertrug, und fuhr so sehr in Schlangenlinie, dass es ihn manchmal sogar umhaute.
Heute wäre das unvorstellbar, so stark alkoholisiert noch zu fahren. Aber damals – Anfang der 1960er Jahre – ging das noch. Die Mopeds waren ja auch nicht so schnell, und es gab kaum Kontrollen.
Reparieren statt wegschmeißen
Wir haben damals nicht nur Anlagen installiert, sondern auch noch viele Sachen repariert – insbesondere kleinere Geräte wie Bügeleisen, Kucheneisen oder Mixgeräte. Wir hatten damals im alten Laden ein spezielles Regal für Reparaturannahme und -ausgabe gehabt. Da standen meist viele kleine Geräte, die im Haushalt gebraucht wurden. Die haben wir dann abends – oft nach Feierabend – repariert. Damals waren solche Reparaturen auch noch wirtschaftlich sinnvoll, denn neue Geräte waren meist sehr teuer. Die Geräte waren auch so gebaut, dass man sie reparieren konnte. Und es gab auch Ersatzteile, die man bestellen konnte. Das geht heute gar nicht mehr. Das tut einem als Handwerker schon in der Seele weh, ist aber wohl nicht mehr zu ändern.
1972 habe ich die Meisterprüfung gemacht. Ich musste damals als Meisterstück einen Klingeldrücker für ein Sechs-Familien-Haus aus einer Messingplatte feilen und bohren. Das war für mich sehr schwierig und ich konnte damit auch keinen Blumentopf mit gewinnen. Trotzdem habe ich die Meisterprüfung mit „Gut“ bestanden. Ich habe die gute Zensur in meiner Meisterprüfung dann durch das Theoretische bekommen. Durch Fehlersuche.
Zu Beginn meiner Lehre waren noch Hammer und Meißel die wichtigsten und am meisten gebrauchten Werkzeuge, die ein Elektriker nutzte. Der Meißel musste schön scharf sein, weil in den roten Steinen zu meißeln, war wirklich nicht einfach. Damals wurde nur gestemmt, die Bohrmaschinen schafften das früher noch nicht. Heute werden Kernbohrungen gemacht und dann ist das fertig. Früher mussten wir stundenlang stemmen, um ein Loch irgendwo durch die Decke oder durch die Wand zu schlagen. Das war sehr mühsam. Es gab auch noch keine Dübel, um Aufputz-Schalter zu befestigen. Das mit den vorgefertigten Dübeln fing erst so langsam an, als ich in die Lehre kam. Davor gab es nur Holzdübel, die man sich selber zurecht geschnitzt hat.
Um ein Loch zu bohren, nutzte man einen UPAT Schlagbohrer. Das war ein Handgriff, in dem ein kleiner Bohrer eingesteckt war. Da musste man darauf schlagen und immer langsam drehen, um ein Loch zu bohren. Die Holzdübel wurden konisch zugeschnitten. Die dickere Seite kam in die Wand, dann wurde das Loch angefeuchtet, Gips angerührt und der Dübel eingegipst. Später gab es dann den TOX-Knetdübel. Der wurde in Wasser aufgelöst und in das angefeuchtete Loch gepresst. Die Schraube wurde kurz mit eingedreht. Dann ließ man die Masse aushärten. Anschließend konnte das jeweilige Teil angeschraubt werden.
Bei den Holzdübeln musste man gewaltig aufpassen, wenn man einen Schalter auswechselte. Die Dübel waren schnell locker und lösten sich bei der Montage. Früher gingen die Schalter ja auch noch viel öfter kaputt, die alten Kipp- und Drehschalter leierten verhältnismäßig schnell aus. Wenn dann noch die Tapete in Mitleidenschaft gezogen wurde, haben die Leute sehr geschimpft.
Unsere Arbeit war der Hammer
Fingerspitzengefühl am I-Rohr
Auch bei den Elektrokabeln war früher vieles anders. Zuerst gab es bleiummantelten Kabel. Dann kamen die sogenannten I-Rohre, das waren Blechrohre, die innen eine Isolierschicht aus Teer hatten. Durch diese Teerschicht wurden die Leitungen gezogen. Ich habe noch Neubauten gemacht, da lagen alle I-Rohre unter Putz. An ein Stahlband wurden die einzelnen Drähte angebunden. Das Stahlband wurde erst durch die Rohre geschoben und anschließen durchgezogen. Wenn man das nicht richtig machte, brachen die Verbindungen unterwegs ab. Und machmal hatte man soviel Pech, dass man die Drähte auch nicht wieder zurück bekam, weil die Kupferadern umgeknickt waren. Leitungen durch ein I-Rohr zu führen, ohne dass etwas kaputt ging, war sehr schwierig. Da brauchte es Glück, Können und viel Fingerspitzengefühl. Besonders, wenn es um Ecken ging und die Rohre scharf geknickt waren. Das gibt es heute Gottseidank nicht mehr.
Überhaupt war die Leitungsführung damals noch ganz anders. Da gab es über jeden Schalter eine Abzweigdose, wo die Leitungen verteilt wurde. Diese Dosen zu suchen und zu finden, war schon eine Wissenschaft für sich. Wenn sie verspachtelt waren oder gar über abgehängte Decken lagen, hat man sie kaum entdecken können. In einigen Häusern mussten wir die Zimmer neu verkabeln, weil wir die Abzweigdosen einfach nicht mehr zugänglich waren.
Mit dem Material hatten wir immer mal wieder Probleme. Zum Beispiel mit den Klemmen für die Leitungsverbindungen. Früher waren die Abzweigdosen aus Porzellan. Darin war ein Gewinde für die Madenschrauben. Die mussten stramm angezogen werden, damit die Verbindungen hielten. Aber das Porzellan war nicht so stabil. Wenn man die Madenschraube zu stramm anzog, dann knackte das Gewinde auseinander. Und hatte man mal eine Madenschraube verloren, fand man diese meist nicht wieder. Die waren nämlich sehr klein.
In meiner Lehrzeit musste ich noch mit Steigeisen auf die hölzernen Laternenmasten hinaufklettern, wenn die Freileitungen gezogen wurden. Steigeisen waren warn aus Eisen und so gebogen, dass sie um einen hölzernen Laternenpfahl passten. Die Steigeisen liefen vorne spitz zu. Mit den Spitzen konnte man sich im Laternenpfahl festkrallen und so den Pfahl hochgehen. Oben musste man die Leitung an den Isolatoren anklemmen. Das Hochklettern mit Steigeisen war sehr gewöhnungsbedürftig, aber wenn man es einige Male gemacht hat, dann ging das schon. Sicherheitsgurt um – das war Pflicht – und dann in die Steigeisen. Dafür musste man besonders gutes Schuhwerk haben, mit normalen Halbschuhen ging das nicht.
Ich erinnere mich noch an die Zeit als Steggewentze noch ihr großes Festzelt hatten und damit in der ganzen Grafschaft von Schützenfest zu Schützenfest zogen. Die brauchten natürlich auch Licht. Dafür musste eine Leitung mit drei oder vier großen Lampen und 500-Watt-Birnen aufgehängt werden. Die Leitung wurde einmal lang durch das Zelt gespannt, Stecker rein und dann funktionierte es. Doch zuvor musste es noch an das Stromnetz angeschlossen werden. Bei den Bauern hatte NIKE die Freileitung. Das Feste waren ja meistens irgendwo bei einem Bauern auf einer Wiese, wo in der Nähe auch ein Stromanschluss war. Die NIKE hatte einen Holzkasten mit einem Zähler und drei Sicherungen drin. Der wurde mit einem Gummikabel angeschlossen. Dafür musste ich mit dem Steigeisen den Leitungsmast hoch, sonst hätten die beim Schützenfest im Dunkeln gesessen.
Die Schützenfeste wurde mit der Zeit immer größer. Das waren später Feste, so groß wie eine halbe Kirmes. Auch die Stromversorgung wurde immer aufwändiger. Karussells aber auch die Musiker und Bands mit ihren großen Verstärker- und Lichtanlagen brauchten viel Kraft-/Drehstrom. Bei Venhaus in Samern hatte wir mal große Schwierigkeiten. Die Spannung brach zusammen. So fiel die Elektronik bei den Musikern immer wieder aus, weil die Sicherungen durchgingen. Weil ich jahrelang bei den Schützenfesten die Stromanschlüsse gemacht hatte, war ich vorbereitet. Ich hatte in jeder Tasche drei dicke Sicherung mit 63 Ampere. Also habe ich mich in die Ecke mit dem Sicherungskasten gestellt. Wenn dann eine Sicherung durchgegangen war, habe ich die schnell wieder ausgewechselt. Das hatte zwar das Fest gerettet, war aber für mich eher ein schlechtes Image, weil ja der Strom ständig ausfiel. Die Leute mussten denken, dass ich da irgendwie etwas falsch gemacht hätte. Die konnten ja nicht wissen, dass es an der Stromversorgung lag. Irgendwann habe ich gesagt, ich mache das einfach nicht mehr, das ist einfach eine Negativwerbung.
Als ich als Elektriker anfing, war es auf dem Bau gang und gäbe, Alkohol zu trinken. Für den notwendigen Nachschub mussten die Lehrlinge sorgen. Ein Lehrling ging schon morgens mit dem Eimer los, um Bier- und Schnapsflaschen zu holen. Die wurden dann zum Kühlen in den Wasserkübel gestellt. In jeder Pause wurde dann Alkohol getrunken. Ich persönlich bin aber nie so ein Schnapstrinker gewesen. Aber manchmal konnte ich auch nicht widerstehen. Beim Bauern Farwick in Neerlage wurde ein Wohnhaus gebaut. Der Bauer kam jeden Morgen mit seiner Frau zum Bau und brachte den Bauarbeitern eine Flasche Roten mit. Da musste jeder Handwerker, der auf dem Bau war, einen Roten mit dem Bauherrn trinken. Den meisten Maurern hat das nichts ausgemacht, die waren ja an Alkohol gewöhnt. Ich aber spürte schon nach einem Glas die Wirkung, weil ich ja sonst nie Schnaps getrunken habe.
Es gibt in den Landgemeinden noch ein paar Freileitungen, so Laternenpfähle. Hier in der Stadt ist so ziemlich alles in Erdkabel verlegt. Das ist auch viel besser. Dadurch sind die Störungen auch viel weniger bei Gewitter. Da gingen früher die Blitze oft rein und dann gingen die Hauptsicherungen durch und dann musste man los. In den Landgemeinden bei einigen Bauernhöfen gibt es die noch, aber es ist fast alles schon verkabelt.
Finger weg von den Roten
Kleine Bauern waren unsere großen Kunden
Der Wandel in der Landwirtschaft hat sich auch auf unser Geschäft ausgewirkt. Früher in den 50er und 60er Jahren gab es neben den großen Bauernhöfe, die es heute auch noch gibt, eine Vielzahl von Kleinst- und Nebenerwerbsbetrieben. Die hatten so vier bis fünf Kühe und ein paar Schweine. Meist waren der Landwirt oder ein Familienmitglied anderweitig berufstätig und machten die Landwirtschaft abends nach Feierabend oder am Wochenende. Solche Betriebe waren hier in der Gegend sehr verbreitet. Das hat sich aber dann geändert. Immer mehr Kleinbetriebe gaben auf. Dadurch haben wir auch viele Kunden verloren. Wenn die großen Landwirte neue, große Ställe bauten, dann machten das Firmen, die auch die Elektroinstallationen übernahmen. In einer modernen Melkanlage steckt soviel Technik und Elektronik drin, das können eigentlich nur Spezialisten machen. Für uns blieben meist nur noch die Anschlüsse und die Zuleitungen von der RWE als Auftrag übrig. Da hat sich viel getan, aber trotzdem haben wir noch unsere Kunden von 1921. Das ist immer ein gutes Verhältnis gewesen.
Nachdem immer mehr Landwirte für uns als potenzielle Kunden wegfielen, fanden wir in der lokalen Industrie und in den Handwerksbetrieben neue Kunden. Wir sind zum Beispiel von Anfang an bei der Firma Utz tätig gewesen – seit der ersten Halle. Wir haben dort bis auf eine in allen Hallen sämtliche Elektroarbeiten gemacht, von der Neuinstallationen über Reparaturen oder Nachinstallationen – was immer anfiel. Bei der Firma Utz ist die Vielseitigkeit im heutigen Elektrohandwerk deutlich sichtbar. Da sind große Maschinen, die sehr viel Leistung und auch sehr viel Strom brauchen. Der kommt durch armdicke Kabel. Auf der anderen Seite werden ganz empfindliche Leitungen für Hochfrequenztechnik benötigt. Das machten wir alles.
Insbesondere die Netzwerktechnik wird für uns immer wichtiger – auch in Wohnhäusern findet man heute schon umfassende Vernetzungen. Vom Telefon, Internet, Netzwerk, Rauchmelder usw. Das ist eine ganz interessante Sache auch vom Verdienst her. Bei einer normalen Hausinstallation kann man nur noch wirklich Geld verdienen, wenn auch noch elektrische Geräte oder eine Küche dazu verkauft.
Industrie braucht viel Strom
Kleine Handwerks-Betriebe wurden kurz gehalten
Kleine Handwerksbetriebe haben es heute in vielerlei Hinsicht schwer. Ich hatte einmal eine namhafte Geräteherstellerfirma, die belieferten nur noch Betriebe, die noch mindestens zwei Großgeräte in der Ausstellung hatten. Ich hatte von der Firma zwei Geräte in der Ausstellung. Dann kam ein Vertreter zu mir und hat das kontrolliert. Er sagte: „Da haben Sie aber Glück gehabt. Sie haben zwei Geräte von uns da stehen, dann kriegen Sie auch weiterhin Geräte. Wir beliefern nur noch Leute, die was in der Ausstellung haben.“ Ich hätte am liebsten beide Geräte und den Kerl aus dem Geschäft geworfen. Konnte ich aber nicht machen, weil ich Kunden hatte, die diese Geräte kauften. Für viele Lieferanten war man erst interessant, wenn man ein paar hundert Geräte im Jahr abnahm. Aber das war für viele kleine Betriebe kaum machbar. Das war leider so. Da wurde man wirklich als kleiner Handwerksmeister in die Enge getrieben und kurz gehalten.
Als ich 1976 den Betrieb übernahm, gab es acht Elektrobetriebe in Schüttorf: Becker, de Witte, Woltmann, Worthus, Wendelmann, Poppenburg, Petzold und Rönne. Heute gibt es weniger. Was ich damit sagen will: Kleine Betriebe haben es wirklich schwer zu überleben. Sie müssen sehr viel leisten, um weiterzukommen und um existieren zu können. Der Trend geht zu großen Unternehmen und zu großen Betrieben. Das ist nicht nur bei den Elektrobetrieben der Fall, man kann es in allen anderen Handwerksbereichen auch sehen. Das fängt schon bei den Lehrlingen an. Ein Schüler mit Realschulabschluss oder Abitur will seine Ausbildung lieber bei einem großen Unternehmen wie Bentec oder Utz machen. Dabei wissen sie oft nicht, dass man in kleineren Betrieben eigentlich viel umfassender ausgebildet wird, denn sie müssen bei uns alles machen und lernen schnell, selbstständig zu arbeiten und Verantwortung zu übernehmen.
Kleine Betriebe hatten große Probleme
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